Madeira Island Ultra Trail 2011 – Trailrunning at it´s best

Wer ein unvergessliches Laufabenteuer sucht, sollte sich auf nach Madeira begeben, eine kleine im Atlantik gelegene Insel, die vielen als Blumeninsel und Wanderparadies bekannt ist. Wer aber glaubt, dass hier kein Regen fällt, könnte unter Umständen eines Besseren belehrt werden.

Uns zeige sich Madeira als sehr ungestüm und mir schien es gerade so, als wollte der kleine Archipel sich mit uns messen. Noch im Anflug zeigte sich die Insel von seiner sanften Seite und ließ sogar schöne Ausblicke aus dem Flugzeugfenster zu, vorausgesetzt, man ist nicht zu sehr mit seiner Flugangst beschäftigt. Dies war zumindest für mich die erst Hürde, die ich nehmen musste; gerade aufgrund der Tatsache, dass der Landeanflug nicht unbedingt einer der gemütlichsten und ungefährlichsten ist. Trotz der mittlerweile verlängerten ins Meer gebauten Landebahn darf der Flughafen auch heute noch nur von sehr erfahrenen Piloten angeflogen werden. Zudem verfügt er über kein Instrumentenlandesystem und beim Anflug aus südwestlicher Richtung kommt man vor dem Aufsetzen den bebauten Hängen bedrohlich nahe, was noch eine scharfe Rechtskurve erfordert, bevor der Flieger dann endlich aufsetzt.

Da ich weder Freund von Luft und Wasser bin, war ich glücklich wieder am Boden zu sein und vor mir eröffnete sich eine grandiose und wilde Bergwelt als wir zu unserer, im Norden der Insel gelegene Unterkunft, fuhren. Dass der Lauf ein spannendes Abenteuer wird, war mir schon aus diversen Internetrecherchen bekannt. Peter und ich hatten uns für die mittlere Distanz entschieden, da wir die Streckenverhältnisse und Gegebenheiten vor Ort nicht einschätzen konnten und auch keine Lust hatten in der Nacht zu laufen. Dagegen waren uns 25 k a bisserl zu kurz, um richtiges Wettkampffieber zu bekommen. Also sollte es der 55er Trail werden. Der Madeira Island Ultra Trail, wie er offiziell benannt ist, wird in der Regel alle zwei Jahre veranstaltet und bietet 3 Strecken über folgende Distanzen an: http://madeiraultratrail.com/index.php?option=com_frontpage&Itemid=1&lang=english

100 km Trail mit ca. 5000 hm

57 km Trail mi ca. 2200 hm

25 km Trail mit ca. 400 hm

Wir können beide zu 100 % bestätigen, dass es eine hochprofessionelle und sehr liebevolle organisierte Laufveranstaltung ist, welche durch den örtlichen Bergverein Club de Montanha do Funchal http://www.cmofunchal.org/cmofunchal/ organisiert wird. Alles war Tip Top, von dem sehr informativen Internetauftritt, über die Startnummernausgabe, wo übrigens die Pflichtausrüstung bis ins Detail kontrolliert wird, bis hin zur Siegerehrung und zum gemeinsamen Mittagessen mit allen Läufern.

Aber nun zum Lauf:

Insgesamt hatte sich eine kleine Schar von Trailläufern für den 55er Lauf gemeldet, es war also eine übersichtliche Veranstaltung, die mir allerdings sehr entgegen kam, da ich gerne Leute kennenlerne und solche Läufe meistens recht lustig werden. Auch wenn wir nur eine kleine Gruppe waren, war das Feld doch sehr international. Selbstverständlich waren Portugal und Spanien gut vertreten, einen Teilnehmer aus England konnte ich ausmachen und auch die Läufer aus Deutschland hatten sich schnell kennen gelernt. Die Stimmung am Start war freundlich und wie erwartet sehr lustig. Da wir in der Regel schon in der Früh putzmunter und redselig sind, hatten wir recht schnell Kontakt zu den Mitläufern gefunden und lernten, dass es direkt steil in den Weinberg geht und die ersten 1400 hm auf 6 km „gelaufen“ werden. Ich schaute nur den Steilhang hinauf und innerlich vernahm ich einen ersten „Verzweifelungsschrei“ und leichte Unlust stieg in mir auf, da mein Körper Kaltstarts überhaupt nicht mag und eher für die zweite Hälfte eines Rennens gemacht ist.

Ein letzter Ausrüstungscheck und schon hörte ich den Startschuss knallen und das kleine Feld setzte sich in Bewegung. Ich hatte mich mit einigen Deutschen nach hinten gestellt und ließ es locker gehen. Die ersten Meter konnte ich noch meine Unterhaltung weiterführen, aber ich stellte diese bald ein als es über ausgetretene, rutschige Steinstufen senkrecht den Weinberg hoch zog. Es war feuchtwarm und ich fing direkt an zu schwitzen, war zudem noch genervt, dass mein Puls zu schnell hoch ging, aber ich verspürte viel Kraft in den Beinen und kam zu dem Schluss, dass mir dies noch zu Gute kommen würde. Nachdem wir einige Zeit durch den Weinweg marschierten kamen wir auf einen verwachsenen Bergpfad, der stark verschlammt war. Die Kehren wurden immer enger zum Teil auch steiler, auch die feuchtwarme Hitze wurde mir langsam immer unangenehmer. Hier lief Peter anfangs noch in meiner Nähe, doch nach ca. 3 km wurde mir plötzlich leicht übel, ich spürte meinen Magen und kurz darauf auch meinen Kreislauf und ließ Peter ziehen. Ich blieb stehen und merkte plötzlich, dass eine deutsche Laufkollegin hinter mir war und ähnliche Probleme hatte, ihr war es auch viel zu warm und wir beschlossen zusammen weiterzulaufen, was uns auch recht gut gelang. Im oberen Teil des Bergpfades wurde es flacher und der Weg war trotz Schlamm gut zu laufen, Peter war auch wieder bei mir, da er zurückgelaufen war, um mich zu ziehen. So erreichten wir dann auch die erste Verpflegungsstelle in Pico de Urze nach 11, 8km auf 1340 hm.

Nach kurzer Rast ging es dann weiter über ein Hochplateau nach Rabacal (17,4) zur zweiten Verpflegungsstelle. Mittlerweile liefen wir in einer kleinen Gruppe mit Läufern aus Portugal, Spanien und Deutschland. Es war extrem nebelig geworden und wir konnten nur noch 20 Meter weit sehen. Die Strecke war zwar mit Leuchtbändern markiert, aber irgendwie kamen wir dann zu einem Punkt, wo wir uns verlaufen hatten und keine Streckenmarkierung mehr fanden. Wir beschlossen wieder zur Hauptstraße zurückzulaufen, da das Gelände links und rechts angeblich steil abfiel. Glücklicherweise kostete dies nur 10 Minuten, aber wir kamen schnell wieder auf der Strecke, so dass jeder sein eigenes Tempo laufen konnte. Ich war beeindruckt, wie schnell wir in der unübersichtlichen Situation zusammengerückt waren und jeder darauf achtete, dass keiner abfiel oder vom Weg abkam.

Peter und ich hatten mittlerweile unser Tempo gefunden, die Strecke bis zum nächsten Verpflegungspunkt in Achada Grande (30,9) war herrlich abwechslungsreich, es ging immer wieder auf alten verfallenen Levadawegen entlang, die extrem zugewachsen waren, die Vegetation wurde immer dichter, wir kamen uns vor wie im Urwald, wir mussten immer wieder auf unsere Köpfe  aufpassen, dass man nicht an herabhängenden Ästen hängenblieb. Mittlerweile hatte es wieder angefangen zu regnen und der Nebel war immer noch sehr dicht, zudem verschlechterten sich die Lichtverhältnisse immer mehr, es wurde anstrengender für mich, aber vielmehr weil ich mit meinen Sehproblemen zu kämpfen hatte. Ich bin ohne räumliche Sehfähigkeit auf die Welt gekommen und je schlechter die Sicht ist, desto mehr muss ich aufpassen, dass ich nicht stürze. Obwohl ich gerne bei wildem Wetter laufe und auch ruppige Umstände mag, meine Augen mögen Sonne, Sonne, Sonne. Man gewöhnt sich daran, und dass ich bei bestimmten Lichtverhältnissen langsamer unterwegs sein muss als mir lieb ist, stört mich nicht, da ich es nicht anderes kenne.

Einige km vor der vierten Verpflegungsstelle bei Lombada dos Marinheiros ging es sehr trailig durch die Berge, der Weg war eng, ich fand ihn extrem lustig, da wir wie auf einem Laufsteg liefen, wie Models setzten wir einen Fuß vor den anderen und sprangen mehr über den Trail. Wer hier kleine Füße hatte, war im Vorteil und konnte in einer engen, glatten Rinne laufen, hier konnte ich wieder Zeit gut machen, die ich am Anfang verloren hatte. Wir waren bei Km 33 und ich spürte, dass auf diesem Streckenabschnitt für mich das Rennen begann. Einige Mittläufer konnten wir einholen, die auf den sehr steilen Stücken überrissen und auch Probleme mit dem unwegsamen Gelände hatten, vermutlich auch weil sie Muskelprobleme bekommen hatten. Plötzlich tauche die vierte Verpflegungsstelle vor uns auf (36,9). Die Kollegen an der Wasserstelle zeigen uns an, dass es nur noch 11 k bis zum nächsten Punkt waren, also zur vorletzten Verpflegungsstelle, ich hörte mich noch sagen, „auf geht’s, in 60 Min sind wir dort“, und schon liefen wir wieder los.

Jetzt kam ein Streckenabschnitt, der  wellig war, tendenziell flach, aber immer wieder langgezogene Anstiege hatte. Er schlängelte sich endlos durch die Eukalyptuswälder, wunderschöne Landschaften und Aussichten, und technisch eher leicht zu laufen. Meinen Beinen ging es entsprechend gut, der Puls war ruhig und ich hatte mir vorgenommen alle Anstiege hoch zu traben, nicht zu wandern und ein gleichmäßiges Tempo zu laufen. Gegen die Langeweile, die mich auf solchen Streckenabschnitten immer befällt, sang ich im Kopf Rocklieder. So liefen wir dahin und überholten immer wieder den einen oder anderen Läufer. Dies beflügelte uns dann umso mehr, wirklich jeden Anstieg konsequent zu traben. Nach einer Weile schlugen wir dann auch an der vorletzten Wasserstelle auf. Das obligatorische Einchecken des Zeitsticks ging schnell und ich trank noch eine Cola.

Dann ging es die letzten 9,2 Km runter nach Porto Moniz. Zunächst wieder auf alten Levadawegen. Das Gelände war mir mittlerweile vertraut und es war sichttechnisch auch heller geworden, der Weg war mit kleinen Steinen und Wurzeln durchsetzt, und wir droschen mit unserer Vorfußtechnik flott über den Weg. Es lief wunderbar, Peter vorneweg, aber er lief immer auf Sichtweite, so dass ich an ihn dran bleiben konnte, so hatte ich immer wieder den Ansporn mein Tempo zu halten. Es war ein perfektes Zusammenspiel. Die kurvige Strecke war abwechslungsreich, die Vegetation änderte sich immer wieder, mal war es dichter, dann wieder Teilstücke, die unbewachsen waren. Wir liefen durch hohes Gras, dann wieder einen schmalen Schotterweg, und immer rechts von uns begleitete uns das sanfte Plätschern des Wassers, das auch wie wir talwärts wollte. Ich spürte, dass mein Adrenalinspiegel hoch war, ich spürte keine Müdigkeit, war hellwach und der Puls gleichmäßig, obwohl wir flott unterwegs waren. Die Vorfreude auf das Ziel beflügelte die Situation, als uns der Wald unsanft über Steilstufen auf die Straße freigab.

Willkommen in der Zivilisation dachte ich mir und nahm einen kräftigen Zug auf der Trinkblase. Jetzt begann der unlustigste Teil des Rennens, steil runter über harten Asphalt nach Porto Moniz, noch 2 km. Innerlich jaulte ich, als wir die Steilstraße im vollen Tempo runter rannten, ich hörte Peters Rücken schreien und meine Knie ohrfeigten mich, ich verfluchte kurzzeitig den Veranstalter für diese 2 km, wohl wissentlich, dass es nicht anders ging und auch der Veranstalter daran nichts ändern kann. Dann sah ich auch schon den Zielbogen und lief wie immer lachend ins Ziel.

Das erste was Peter zu mir sagte war. „We did it, baby“ und wir klatschten uns in üblicher Manier mit beiden Händen im Ziel ab. Erst im Hotel stellten wir dann fest, dass ich als erste Frau des 55er Rennens ins Ziel gelaufen war, was mich natürlich sehr gefreut hat.

Es war ein geiler Lauf mit grandiosen Landschaften und einer Strecke, die mich wieder ins Schwärmen bringt. Wildeste Natur und „echte“ Trails begleiteten uns auf fast 57 km.

Wir kommen auf jeden Fall wieder, dann aber gerne bei sonnigem Wetter und evtl. auf der 100er Strecke.

 


 

 

 

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